Es gibt solche Tage, an denen wird dem Beobachter warm ums Herz. Der verhasste Club RB Leipzig ist so großartig mit seinen Fans, das muss ich sagen. Da ist nicht nur reines Event-Publikum, wie dem Club gern mal nachgesagt wird. Da ist Seele, Herz, Kritik und Lob für ehemalige Spieler dabei. Fans und Club sind somit dort angekommen, wo sie hingehören: In der Mitte von Leipzig. Und das bekam gestern der FC Augsburg zu spüren.
2:1 bekämpfte die Hasenhüttl-Truppe die Schuster-Jungen aus Augsburg. Es kam dabei zum Treffen der Generationen: Die jüngste Mannschaft empfing die älteste. Und es kam zu einem Wiedersehen, denn Georg Teigl wechselte ja im Sommer von Leipzig nach Augsburg. Bei seiner Rückkehr wurde er gebührend empfangen. Aber nicht etwa so, wie das bei gelegentlichen Traditionsfans der Fall ist. Aber der Reihe nach.
RB Leipzig schickte Gulacsi ins Tor, Bernardo, Orban, Compper und Halstenberg in die Abwehr, Demme und Keita ins defensive Mittelfeld, Sabitzer und Forsberg ins offensive Mittelfeld, sowie Poulsen und Werner in den Sturm. „Rotation kann er“, hieß es dann gestern anerkennend, da Hasenhüttl mal wieder die Mannschaft umstellte. Dazu kann man sagen: Wer hat, der kann. Nicht im Kader waren die schwer verletzten Klostermann und Gipson, sowie Khedira, Müller, Boyd (Spielpraxis sammelnd in der U23) und Kalmár.
Es entwickelte sich ein nervöses Spiel. Gerade die Abwehr war nicht allzu sicher. Immer wieder kam die Puppenkiste aus Schwaben zu Chancen. Aber dann nach etwa 10 Minuten kamen die Leipziger. Marcel Sabitzer zimmerte einen strammen Schuss in Richtung Torwart Hitz, der nur ungenügend abwehren konnte. Es entstand Chaos im Augsburger Strafraum, das der wieder starke Emil Forsberg nutzen konnte. Man wollte das Tor unbedingt. Es sind nicht mehr so die Zufallstreffer, sondern Überzeugung und Wille, die solche Tore entstehen lassen.
Während man sich noch rotweiß freute, zappelte aber schon der Ball hinter Gulacsi im Netz. Quasi im direkten Gegenstoß wehrte Orban einen Ball eher nur mittelprächtig ab, die Augsburger Baier und Ji spielten die Leipziger Abwehr aus, Verhaegh kam als Verstärkung dazu, und plötzlich hieß es 1:1 nach einem einfachen Schuss von Ji von halbrechts in die linke Ecke. Marcel Halstenberg sah dabei alles andere als sattelfest aus. Auch in der Folge kamen die Augsburger immer wieder zu Chancen, aber mit der Zeit stellte sich die Abwehr etwas besser auf den Gegner ein.
Nach einer halben Stunde bekam RB Leipzig die Partie in den Griff, aber zählbares kam nicht heraus. Allerdings war Emil Forsberg derjenige, der bis zur Halbzeit die Führung wieder herstellen konnte und musste. Nach dem Seitenwechsel spielte fast nur noch RB Leipzig. Die leitenden Akteure auf Leipziger Seite hießen Forsberg, Sabitzer und Poulsen. Sabitzer beschäftige mehrere Male Marvin Hitz. Der souveräne Diego Demme spielte einen wunderbaren eröffnenden Pass auf Forsberg, welcher blitzsauber weit auf Poulsen spielte, der die Abwehr umkurvte und zum 2:1 einnetzte.
Ab diesem Zeitpunkt war das Spiel gelaufen. Die Fäden der Augsburger Puppenkiste hielt der bullige Hasenstall in der Hand und ließ nichts mehr anbrennen, tat aber auch nur noch das Nötigste. Und dann kam er: In Spielminute 78 wechselte Trainer Schuster den ehemaligen Leipziger Publikumsliebling Georg Teigl ein. Und der leitete kurz vor Schluss den nahezu einzigen Augsburger Angriff in der Schlussphase des Spiels ein, und fast wäre es noch zum 2:2 gekommen. Da Finnbogason den Ball nicht richtig trifft, blieb es allerdings beim unterm Strich verdienten 2:1.
Aber was war denn mit den Leipziger Fans los? Die protestierten gegen – oder kritisierten – den Clubvorstand. Ein Stadion irgendwo in der Pampa will niemand sehen. Die Leipziger lieben ihr Wohnzimmer mitten in der Stadt. Niemand will irgendwo ins Nirgendwo fahren, um Fußball zu gucken. Und so gab es Spruchbänder und dergleichen, allerdings der witzigen Art: „Liberté. Egalité, Festwiesé“ oder „Blechbüchse nur am Brühl“ oder auch „Kinder haben keinen Führerschein, kurze Wege müssen sein“. Dazu die Erklärung:
Die Festwiese befindet sich vor der Red Bull Arena. Sie gehört wie das Stadion zur Leipziger Fußball-Identität. Die so genannte „Blechbüchse“ ist das, was in der Innenstadt als die „Höfe am Brühl“ umgebaut wurde. Und die Sache mit dem Führerschein ist die: Man kann in Leipzig fast bis zum Stadioneingang mit der Straßenbahn fahren. Im Prinzip muss niemand mit dem Auto zum Stadion kommen. Alles Argumente für ein Innenstadt-Stadion, wie es jetzt existiert, und gegen einen Neubau irgendwo auf der grünen Wiese, wo niemand ohne Fahrzeug hinkommt.
Das Stadion-Thema ist das derzeit bestimmende in Leipzig. RB Leipzig muss sich entscheiden, was der Verein mit dem Mietverhältnis in der Red Bull Arena macht. Kündigen sie? Bleiben sie im Stadion und bauen es – auf maximal 56000 – aus? Fanverband, Club, Fans und Stadt sind sich da derzeit nicht so ganz einig. Aber eine Entscheidung steht wohl unmittelbar bevor.
Tolles Fan-Bekenntnis zum Stadion in der City; niemals grüne Wiese #RBLFCA pic.twitter.com/p5dP64IuE1
— André Böhmer (@lvzboehmer) September 30, 2016
Wie empfängt man eigentlich einen ehemaligen Spieler, der mit seinem neuen Verein zum Gastspiel kommt? Man kann es so machen wie die Fans von Borussia Dortmund, als Mario Götze zu den Bayern wechselte, man kann ihn mit Schmährufen weit unterhalb der Gürtellinie bedenken. Man kann ihn aber auch anders empfangen. Die Fans von RB Leipzig empfingen Georg Teigl bereits in der Halbzeit-Pause freundlich und feierten seine Einwechslung, ebenso wie sie ihn auch noch Minuten nach dem Abpfiff feierten.
Der sympathische, schnelle Österreicher war in Leipzig Publikumsliebling. Er erhielt aber nur noch wenig bis gar keine Chance mehr in der vergangenen Saison, weil Lukas Klostermann einfach zu stark war. Und so wechselte er nach Schwaben. Der Empfang der Leipziger nahm ihn allerdings emotional ziemlich mit, was er dann auch via Twitter zeigte. Ich glaube, selbst wenn durch Teigl der Ausgleich passiert wäre, wäre man ihm in Leipzig niemals böse gewesen.
In der Regel werden Spieler, wenn sie auf den Ex-Klub treffen, ausgepfiffen – nicht so bei RB Leipzig. #RBLFCA https://t.co/HnpCY0UMwz
— FAZ Topthemen (@FAZ_Top) October 1, 2016
@DieRotenBullen Danke für den unglaublichen Empfang ! Fußball ist mehr als Sport ! Das werde ich euch niemals vergessen ✊✊ #RBLFCA
— Georg Teigl (@GeorgTeigl39) September 30, 2016
Teigl feiert mit den alten Kollegen. Das gibt Ärger. #RBLFCA
— Aufziehvogel_LE (@Aufziehvogel_LE) September 30, 2016
Mein Bild des Tages. @GeorgTeigl39 #Teigl #RBLFCA #Danke pic.twitter.com/9J3dzzRsui
— rotebetefreund (@rbfreund) September 30, 2016
Witzig waren aber die Fans des FC Augsburg. Denn die wollten ja boykottieren. Nun ja, was soll ich sagen? Es waren ja auch kaum Fans der Schwaben in Leipzig. Aber nicht, weil die Fans boykottiert haben. Nein, soweit ich das mitbekommen habe, fahren auch sonst kaum Fans mit zu Auswärtsspielen. So kann man sagen, dass die paar Leute, die da gestern in Leipzig waren, schon viel waren. Aber man kann das natürlich auch als traditionelles Fanleben oder etwas in der Art auslegen.
Interessant war auch, dass Mister Universe Ralf Möller mit in Leipzig war und den Augsburger Fans einheizte. Der war nämlich die Hauptfigur der Halbzeitpause. Beim Interview mit Stadionsprecher Tim Thoelke nahm er sich das Mikro, quarkte von „Meisterschaft nach Leipzig holen“, verdammte die Augsburger Fans für ihr Fernbleiben und markierte eine denkwürdige Halbzeitpause. Nun ja, das ist eben dieser Event-Fußball, den die Augsburger kritisieren, oder?
"Eure Mannschaft braucht euch hier. Boykott ist absoluter Schwachsinn." Ralf #Möller in der Halbzeit zu den Augsburger Fans. #RBLFCA
— RB-Fans.de (@rb_fans) September 30, 2016
Nun haben die Jungs von Ralph Hasenhüttl 12 Punkte aus 6 Spielen geholt und sind Rekord-Aufsteiger. Noch nie war ein Bundesliga-Neuling nach den ersten 6 Spielen immernoch ungeschlagen. Da macht es auch nichts, wenn man defensiv immer ein wenig Harakiri macht. So lang so eine Bilanz steht, wird mir um RB Leipzig in der Bundesliga nicht bange. Sie liefern ab, und brauchen „nur noch“ 28 Punkte bis zu den magischen 40 Punkten, die angeblich den Klassenerhalt bedeuten.