Kevin Großkreutz ist beim VfB Stuttgart rausgeflogen, wie man miterleben durfte. Es heißt, das war viel zu überzogen. Denn der Kevin ist ein echter Typ. Das mag ja sein. Dennoch darf man sich ein paar Gedanken dazu machen, wie das so in das Gefüge beim Cannstatter Fußballclub passt, was dem Herrn Großkreutz da vorgeworfen wird, was er selbst zugegeben hat und was am Ende zum Rauswurf führte.
Der gebürtige Dortmunder war lange Zeit in seiner Heimatstadt unter Vertrag. Natürlich hat man seine Profizeit beim BVB in Erinnerung. Aber schon als Kind war er dort und davor beim FC Merkur Dortmund. Großkreutz hat mit 4 Jahren mit dem Fußball angefangen. Und von 2002 bis 2007 reifte er zum Mann bei LR Ahlen / Rot Weiß Ahlen. Was er spielt, ist irgendwie Abwehr und Mittelfeld. Er gilt als „Typ“. Er gilt als „Malocher“. Und in seiner Eigenschaft als Nationalspieler und Profi-Fußballer musste er auch immer Vorbild sein. Seit dem Sommer letzten Jahres war er beim VfB Stuttgart unter Vertrag. Und das ist vorbei.
Ich hielt immer viel von Großkreutz. Aber dass irgendwas musste schief gegangen sein. Denn Sie kennen bestimmt die Geschichten von fliegenden Dönern und vom Urinieren in der Hotellobby. Da lacht man darüber, dass er nie einen Hehl aus seiner Abneigung gegenüber Clubs wie die TSG 1899 Hoffenheim oder speziell RB Leipzig gemacht hat und hier auch immer wieder lauthals abfällig geschimpft hat. Und in der Nacht von Rosenmontag auf Faschingsdienstag hat er in einer Prügelei in Stuttgart seine komplette Fußballer-Karriere geopfert.
Ja, er liegt oder lag im Krankenhaus, wo seine Wunden behandelt wurden. Ja, er muss sich wahrscheinlich vor Gericht verantworten. Warum noch so hart reagieren, wie es die Clubleitung gemacht hat? Man hätte es mit irgendwelchen Strafen abhandeln können, dann wäre es genug gewesen. Stimmt’s, so werden vermutlich einige von Ihnen denken. Tja, wenn eben die Vorbildfunktion nicht wäre, wenn Großkreutz seine Verletzung auskuriert hätte und nicht „mit den Jungs“ um die Häuser gezogen wäre, wenn er auf dem Platz immer Vollgas die Leistung, die man erwartet hatte, gezeigt hätte.
Jetzt stellen wir uns mal die arbeitsrechtliche Situation vor. Großkreutz hatte sich eine Sehnenreizung zugezogen und war sozusagen krank geschrieben. Zwei Wochen sollte die dauern. Dann wäre sie heute ungefähr vorbei. Er war also wegen den Beinen krank geschrieben. Wie kommt er dann dazu, während seiner Krankschreibung die Beine für eine Sauftour – wie ich las – zu benutzen? Jedem Arbeitnehmer wäre bei so etwas fristlos gekündigt worden. Das und nichts anderes ist bei Großkreutz passiert.
Man muss auch sehen, dass beim VfB Stuttgart ein anderer Wind weht. Der Verein ist nicht mehr das vogelwilde Tollhaus wie in den letzten Jahren in der Bundesliga. Es gibt einen Verhaltenskodex, den jeder – Spieler, Funktionär, Mitarbeiter – befolgen muss. So etwas in der Art wird es wohl überall geben, keine Frage. Den hat wohl Präsident Dietrich direkt nach seinem Amtsantritt eingeführt, und der wird strikt durchgesetzt. Außerdem kehrte mit Sportdirektor Schindelmeiser Professionalität im Verein ein. Man kann es sich eben nicht erlauben, weiter so ein chaotischer Haufen zu sein.
Was sollen denn da die Großsponsoren Mercedes-Benz, Porsche und so weiter sagen, wenn bei eingefordertem Verhaltenskodex und avisierter Professionalität einer macht, was er will? Davon mal abgesehen, wird Großkreutz auch nicht für nen Appel und ein Ei gespielt haben. Wer weiß, vielleicht spielte auch eine Rolle, dass er auch einfach angesichts der Leistungen zu teuer war. Wir wissen doch nicht, was innerhalb des Vereins so los ist. Denn der VfB Stuttgart klärt nicht mehr unbedingt alles über die sozialen Netzwerke, sondern eben auch einfach mal vereinsintern als Kommunikationsauster.
Jedenfalls wünsche ich mir den Kevin Großkreutz zurück, den ich immer mochte. Der um die 180 Spiele beim BVB absolvierte und da immer eine Bank war. Gut, unter Trainer Tuchel fand er keine Berücksichtigung mehr. Aber seine Art der Verkörperung der Position rechter Außenverteidiger war schon besonders. Wie gesagt, irgendwas muss passiert sein vor ein paar Jahren. Und irgendwie ist er da jetzt in einer Blase gefangen, aus der er raus muss. Denn irgendwie fehlt so ein Typ wie er. Aber es ist keine Frage: Was da gelaufen ist, darf nicht passieren. Deshalb hat der VfB Stuttgart auch alles richtig gemacht.