Kamelle für’s Volk, Khedira für die Seele. Das Spiel RB Leipzig gegen den 1. FC Köln bot so ziemlich alles, was man sich so denken konnte. Warum nicht? Neben der sportlichen Leistung stand auch mal wieder eine Diskussion im Vordergrund. Und ein Spieler, der eigentlich abgeschrieben ist, wurde in den Himmel gehoben. Alles in allem war das eine ziemlich runde Sache, die da am Samstag in der Red Bull Arena stattfand.
Trainer Hasenhüttl schickte Gulacsi ins Tor, Schmitz, Orban, Compper und Halstenberg in die Verteidigung, Ilsanker und Demme ins defensive Mittelfeld, Keita und Forsberg ins offensive Mittelfeld sowie Sabitzer und Werner in den Angriff. Wieder wirkte es so, als sei alles relativ vorhersehbar. Und wieder machte der Gegner die gleichen Fehler wie so viele vorher, seitdem Hasenhüttl so spielen lässt. Aber dennoch war es etwas anders als sonst. Denn man hätte es auch gut gern so sehen können, dass das System eben kein 4-2-2-2 ist, sondern erstmals in dieser Saison ein 4-3-3, respektive 4-1-2-2-1.
Kölns Trainer Stöger hatte sich auch eigentlich eine feine Geschichte ausgedacht. So kam er schon mal mit einer 3/5-Kette in der Abwehr daher. Aber die nützt ja niemandem etwas, wenn der Torwart dahinter einen Angriff von Sabitzer viel zu kurz abwehrt. Wenn der Ball dann – wie am Samstag – bei Werner landet und dieser die Kugel weitergibt zu Forsberg an der Strafraumkante und jeder von der Qualität des Schweden weiß, ist es eigentlich zu spät. Auch hier zeigte sich wieder das Typische an RB Leipzig: Es kommt nie ein Angreifer allein, das Team geht immer volle Kanne mit gleich 3, 4 Mann mehr ab.
In der Folgezeit versuchte auch der Effzeh, den einen oder anderen Nadelstich zu setzen. Allerdings kam bis auf einen Fernschuss nicht wirklich etwas dabei heraus. Das macht RB Leipzig besser. Innerhalb kurzer Zeit kam es zu Chancen für Halstenberg, Werner, Sabitzer und so weiter und so fort. Kamelle für’s Volk bedeutete am Samstag: Jeder durfte mal gegen Keeper Kessler ran. Man drängte auf eine Erhöhung. Aber wie das eben immer so bei RB Leipzig ist: Man trifft eben nicht. Da denkt man sich so allmählich, dass Hasenhüttl aufstellen kann, wen er will, es fallen einfach zu wenig Tore bei den Chancen.
Slapstick dann aber nach einer reichlichen halben Stunde, als Keita mehr halbherzig den Ball in den Strafraum der Kölner schlug. Neven Subotic zerhackte die Luft über dem Ball, was Maroh anerkennend mit einem Eigentor vollendete. Letzterer hatte eh einen mehr als gebrauchten Tag in Leipzig erwischt und konnte froh sein, dass er nicht noch des Platzes verwiesen wurde. Und so kam es, dass die Hausherren ungewohnterweise mit mehr als einem Tor Unterschied in die Halbzeitpause gingen. Die Kölner waren noch nicht erlegt, wie man dann erleben durfte.
Maroh raus, Zoller rein: Das war das Mittel von Stöger. Und wirklich, das zeigte Wirkung. Plötzlich sah es so aus, als ob die taktische Änderung am System von Hasenhüttl derart ungewohnt sein könnte, dass sich das noch rächen könnte. Plötzlich waren die Rheinländer voll im Spiel und dominierten. Ein ums andere Mal brachten sie die „Achter“ Diego Demme und Naby Deco Keita immer wieder in arge Bedrängnis. In dieser Phase waren die Leipziger lange nicht mehr immer die Herren der Situation. Aber Anthony Modeste machte das, was sonst Leipziger Stürmern obliegt: Er traf nicht.
Osako allerdings machte es knapp 10 Minuten nach der Halbzeitpause besser. Die Kölner kamen wieder über die Flügel, wo RB Leipzig am Samstag vor allem in dieser Phase angreifbar war, und der Ball landete bei Olkowski, der ihn zum Fünfmeterraum zum Japaner bugsierte. Der brauchte nur noch die Kugel über die Linie drücken. Allesamt hatten sie sich in der RB-Hintermannschaft eine Auszeit gegönnt. Und der Anschlusstreffer war zu dieser Phase alles andere als unverdient.
Aber die Löcher in der Defensivarbeit bei dem eher ungewohnten System der Leipziger waren nun einmal vorhanden. Erst versuchte man, dies innerhalb des 4-3-3 zu lösen. Aber dann entschied sich Hasenhüttl doch dafür, den starken Emil Forsberg durch den angeblichen Wackelkandidaten Rani Khedira zu ersetzen. Das wiederum hatte zur Folge, dass die Abwehrkette nun fünf Männer enthielt (Schmitz, Orban, Compper, Ilsanker, Halstenberg) und es ein dünnes Mittelfeld mit Khedira auf der „Sechs“ und Demme und Keita auf der „Acht“. Werner und Sabitzer im Sturm standen nicht zur Diskussion.
Nahezu im gleichen Atemzug fiel das 3:1 für die Leipziger. Orban spielte gnadenlos perfekt von hinten heraus. Einen Ball lässt Marcel Sabitzer abprallen, der dann bei Keita landet und der – wie konnte es anders sein? – Timo Werner auf die Reise schickte. Subotic will noch eingreifen und ins Duell mit dem Schwaben einsteigen. Aber aus spitzem Winkel von nahe der Torauslinie traf Timo Werner dann zum Endstand. Kessler stand zwar im Weg, aber auf wundersame Weise zappelte der Ball dann dennoch im Netz. Nicht umsonst gilt Timo Werner bei seinem Turnleiter als einer der besten Stürmer Deutschlands.
Durch die Hereinnahme von Rani Khedira, den viele im Winter schon für mausetot gehalten haben, hatte sich das Leipziger Spiel deutlich beruhigt, sodass sich die Offensivkräfte auf Konter beschränken konnten. Am Ende ging das Spiel trotz Einwechslung von Davie Selke (84. Minute für Werner) und Dominik Kaiser (86. Minute für Keita) mit 3:1 zu Ende. Am Ende wegen der nahezu perfekten ersten Halbzeit ein verdienter Sieg, der nur durch die erste Hälfte der zweiten Halbzeit ein paar Flecken bekommt.
Einzig und allein die Torausbeute war wieder das Problem. Also neben dem 20-Minuten-Blackout bis zur Einwechslung von Khedira. Aber wenigstens hatten soziale Netzwerke und Presselandschaft wieder etwas über Timo Werner zu schimpfen, dem im Vollgas in die Hacken getreten wird, worauf er hinfällt und ihm eine Schwalbe unterstellt wird. Das Alles bei nicht ausverkauftem Haus. Ob es an der Spendenaktion für den klammen HC Leipzig lag, werden wir wohl nicht mehr erfahren. Aber bemerkenswert war das schon.
Zentrale Figuren im Spiel von RB Leipzig waren Timo Werner, Naby Keita, Emil Forsberg und Rani Khedira. Der Deutsch-Tunesier spielt sich derzeit bei seinen mehr oder weniger langen Einsätzen immer mehr ins Rampenlicht. Und das ohne große Sprüche, immer demütig, immer gut gelaunt, immer positiv. Das war herausragend, trotz der Misere in den vergangenen Monaten, in denen man ihn eigentlich schon abgeschrieben hatte. Aber Hasenhüttl weiß, was er am defensivsten der Sechser hat und wird auf eine Vertragsverlängerung mit ihm pochen.
Alles in allem war das ein gutes Spiel und eine geschlossene Mannschaftsleistung. Die Beruhigung nach der chaotischen Phase nach der Pause zeigt, dass jede Spieler bei RB Leipzig gebraucht wird. Deshalb wird meiner Meinung nach auch noch die große Stunde für Davie Selke, Dominik Kaiser, Federico Palacios Martinez und Co. kommen. Für die Einen eher, für die Anderen später.